Die Fotografien von Adrian Talmon zeigen Mieter*innen, die sich seit Jahren gegen eine mögliche Verdrängung wehren, in ihren Wohnungen. Der Fokus liegt dabei auf den Wohnsituationen und dem Leben in einem der Wiener Zinshäuser, die es noch zuhauf in der Stadt gibt. Viele Wiener Bezirke sind durch diese Gebäude aus der Gründerzeit geprägt, die zwischen etwa 1850 und 1918 erbaut wurden.
Auch das Gebäude unweit der Wiedner Hauptstraße gehört dazu. Errichtet wurde es 1893. Über 120 Jahre später steht das Haus immer noch und ist bewohnt. Jedoch steht das Lokal im Erdgeschoss des Hauses leer, die Fassade ist schon lange nicht saniert worden. Problematisch ist vor allem der Zustand im Inneren. Blei im Wasser, eine abbröckelnde und beschmierte Fassade, kaputte Türen, regelmäßige Wasserrohrbrüche, Schimmel: Die Beschwerdeliste der Bewohner*innen ist lang. Laut den Langzeitmieter*innen gibt es dafür einen Grund, der im Wiener Spekulationsmarkt schon lange System hat: Der neue Besitzer und die zuständige Hausverwaltung kümmern sich schon seit Jahren nicht mehr um die Behebung der Mängel. Manche der Alt-Mieter*innen befürchten, dass sie durch dieses Nichtstun aus ihrem jahrelangen Zuhause verdrängt werden sollen. Anträge, das Haus in eine sogenannte Schutzzone aufzunehmen, laufen bislang ins Leere. Theoretisch sollten Gebäude in Schutzzonen besser gegen Abrisse geschützt sein. In der Praxis ist das aber oft nicht der Fall, denn das Wiener Baurecht ist so lückenhaft, dass sich Abrisse in Schutzzonen immer noch leicht durchsetzen lassen. Zwischen 2007 und 2019 wurden 392 gründerzeitlichen Zinshäuser abgerissen. Die aktuelle jährliche Tendenz ist steigend.
Laut Angaben des Rechercheportals „Wienschauen“ wurden in Wien 2022 etwa 30 von 35 Abrissansuchen genehmigt. Einen positiven Nebeneffekt hat diese ganze Misere jedoch: Im gemeinsamen Kampf ist eine wunderbare Hausgemeinschaft entstanden.
Diese Serie ist im Rahmen des Kooperationsprojektes "WIE WIR (NICHT) LEBEN" mit der Arbeiterkammer Wien entstanden.
Als Teil der gleichnamigen Stadtausstellung, die vom 26. Juni bis 01. September 2024 an unterschiedlichen Orten im Wiener Stadtgebiet zu sehen war, wurde GEMEINSAM GEGEN VERDRÄNGUNG in der Gebietsbetreuung Floridsdorf in 1210 Wien präsentiert.